Zusammenfassung des Urteils IV 2015/387: Versicherungsgericht
Der Beschwerdeführer hatte Anspruch auf eine Viertelsrente ab dem 1. Juli 2010 aufgrund einer Invalidität von rund 48%. Sein Gesundheitszustand hatte sich laut Berichten von Ärzten seit der Begutachtung im September 2011 nicht dramatisch verschlechtert. Trotzdem wurde ihm eine Teilzeitarbeit zugemutet, was zu einem Tabellenlohnabzug führte. Die Beschwerdegegnerin muss die Gerichtsgebühr von CHF 600.- tragen und dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von CHF 3'000.- zahlen.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | IV 2015/387 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | IV - Invalidenversicherung |
Datum: | 18.12.2017 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 28 IVG. Rentenanspruch. Gestützt auf das MEDAS-Gutachten und einen Tabellenlohnabzug von 10% besteht ein Anspruch auf eine Viertelsrente (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 18. Dezember 2017, IV 2015/387). |
Schlagwörter : | ähig; IV-act; Arbeit; Abklärung; Arbeitsfähigkeit; Eingliederung; Gesundheit; Rente; Gesundheitszustand; IV-Stelle; Anspruch; Invalidität; Stellung; Tätigkeiten; Arbeitsmarkt; Leistung; Stellungnahme; Invaliditätsgrad; Verfügung; Bericht; Begutachtung; Invalideneinkommen; Viertelsrente; Person |
Rechtsnorm: | Art. 16 ATSG ;Art. 7 ATSG ; |
Referenz BGE: | 125 V 261; 126 V 79; 129 V 475; 129 V 481; |
Kommentar: | - |
Besetzung
Präsidentin Marie Löhrer, Versicherungsrichterinnen Michaela Machleidt Lehmann und Marie-Theres Rüegg Haltinner; Gerichtsschreiberin Jeannine Bodmer
Geschäftsnr.
IV 2015/387
Parteien
A. ,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. rer. publ. Michael B. Graf, GN Rechtsanwälte, St. Leonhard-Strasse 20, Postfach 728,
9001 St. Gallen, gegen
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin,
Gegenstand Rente Sachverhalt A.
A. erlitt am 27. April 2009 einen Myocardinfarkt mit Herzkreislaufstillstand mit anschliessender Reanimation. Gleichentags wurde eine Stentimplantation vorgenommen (vgl. IV-act. 20, 29-2). Am 6. Januar 2010 meldete sich der Versicherte zum Bezug von IV-Leistungen an (IV-act. 1). Anlässlich des Frühinterventionsgesprächs vom 29. Januar 2010 gab sein Hausarzt Dr. med. B. , Facharzt für Allgemeine Medizin FMH, gegenüber dem RAD an, der Versicherte leide an einer schweren Depression und Angst gemischt, bei Status nach reanimationspflichtigem Herzinfarkt. Teilweise sei der Versicherte suizidal (IV-act. 17).
Der behandelnde Dr. med. C. , Facharzt Psychiatrie und Psychotherapie FMH, berichtete am 2. August 2010, der Versicherte leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10: F43.0). In der angestammten Tätigkeit als Drucker bestehe seit dem 27. April 2010 (richtig: 2009) eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit (IV-act. 29-4). In der konsiliarischen neurologischen Beurteilung vom 13. Oktober 2010 diagnostizierte Dr. med. D. , Neurologie FMH, ein wahrscheinliches Restless Legs Syndrom sowie eine unklare sensible Hemisymptomatik links (IV-act. 44-11).
Am 8., 12. und 14. September 2011 wurde der Versicherte im Auftrag der IV in der
MEDAS Inselspital Bern polydisziplinär (allgemeininternistisch, neurologisch,
psychiatrisch und kardiologisch) untersucht. Mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit diagnostizierten die Experten eine mittelgradige depressive Episode (ICD-10: F32.1) mit somatoform-autonomer Funktionsstörung des Herzund Kreislaufsystems (ICD-10: F45.30), hervorgegangen aus einer Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion (ICD-10: F43.21) nach Myokardinfarkt am 27. April 2009. Ohne Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit leide der Versicherte an Kombinationskopfschmerzen, einer chronischen Otitis media rechts und einem persistierenden Nikotinabusus. Für die bisherige sowie eine leidensangepasste Tätigkeit bescheinigten die Experten spätestens ab Januar 2011 eine 70%ige Arbeitsfähigkeit (IV-act. 53). Der RAD hielt das MEDAS-Gutachten für beweiskräftig. Es sei indessen bezüglich der Arbeitsfähigkeit für die angestammte Tätigkeit davon abzuweichen und von einer 100%igen Arbeitsunfähigkeit ab April 2009 auszugehen, da die Gutachter die Schichtarbeit nicht berücksichtigt hätten (Stellungnahme vom 28. November 2011, IV-act. 54).
Mit Vorbescheid vom 2. Dezember 2011 stellte die IV-Stelle dem Versicherten, ausgehend von einer 70%igen Arbeitsfähigkeit für die angestammte sowie eine leidensangepasste Tätigkeit, die Abweisung des Rentengesuchs in Aussicht (IV-act. 57). Dagegen erhob der Versicherte am 20. Dezember 2011 Einwand (IV-act. 59) und liess diesen am 19. Januar 2012 ergänzend begründen (IV-act. 63).
Am 8. Februar 2012 verfügte die IV-Stelle die Abweisung des Leistungsgesuchs. Da dem Versicherten gemäss gutachterlicher Beurteilung auch die angestammte Tätigkeit zu 70% zumutbar sei, stellte die IV-Stelle zur Berechnung des Invalideneinkommens auf das Valideneinkommen ab und ermittelte einen 30%igen Invaliditätsgrad. Berufliche Eingliederungsmassnahmen seien nicht weiter zu prüfen, da der Versicherte die berufliche Abklärung auf Grund seiner subjektiven Arbeitsunfähigkeit abgebrochen habe (IV-act. 66).
Die gegen diese Verfügung am 12. März 2012 durch Rechtsanwalt M. B. Graf, St. Gallen, für den Versicherten erhobene Beschwerde (IV-act. 68) hiess das Versicherungsgericht mit Entscheid vom 3. März 2014 teilweise gut und wies die Angelegenheit an die IV-Stelle zurück, damit sie nach erfolgten Abklärungen im Sinne der Erwägungen neu verfüge. In diesen hielt sie fest, dass grundsätzlich auf das beweiskräftige MEDAS-Gutachten abzustellen sei, jedoch mit der Ausnahme, dass der
Versicherte in der angestammten Tätigkeit als Drucker/Maschinenbediener vollständig arbeitsunfähig sei. Demgegenüber bestehe in leidensadaptierten Tätigkeiten eine Arbeitsfähigkeit von 70%. Ausserdem hielt das Gericht fest, dass die IV-Stelle nicht sämtliche zumutbaren Eingliederungsmöglichkeiten vor der Rentenprüfung ausgeschöpft habe. Angesichts dessen, dass ein rentenbegründender Invaliditätsgrad von abgerundet 40% drohe, habe sie den Grundsatz Eingliederung vor Rente verletzt. Ihr Entscheid über die Rentenleistungen erweise sich somit als verfrüht, weshalb sie eine rechtskonforme Abklärung der Ansprüche auf Eingliederungsmassnahmen durchzuführen habe (IV-act. 74).
Am 31. März 2014 teilte die IV-Stelle dem Versicherten mit, sie gewähre Berufsberatung und Abklärung der beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten durch die Berufsberatung (IV-act. 81).
Am 6. Juni 2014 berichtete med. pract. E. , FA für Psychiatrie und Psychotherapie, der Versicherte werde integriert-psychiatrisch im zweiwöchentlichen Abstand therapiert. Durch die schwergradigen Konzentrationsstörungen sei dem Versicherten ein Arbeitsalltag nicht mehr zumutbar. Ausserdem bestünden deutliche körperliche Einbussen der Ausdauer und der Leistungsfähigkeit. Im Weiteren bestünden ausgeprägte Zukunftsängste und Traurigkeit mit Hoffnungslosigkeit (IV-act. 87).
Am 8. Mai 2014 führte der IV-Eingliederungsverantwortliche mit dem Versicherten ein Gespräch. Dabei gab jener an, er schätze eine Anstellung/Ausbildung aktuell als unrealistisch ein. Würde sich seine gesundheitliche Situation „nur ein bisschen verbessern“, wäre eine Ausbildung möglich. Er würde zwar einen Arbeitsversuch etc. unternehmen, sehe aber keine Erfolgschancen. Der Eingliederungsverantwortliche schätzte den Versicherten als transparent ein. Es stelle sich nun die Frage, ob er arbeitsfähig sei, was mit einer Abklärung geklärt werden könnte (IV-act. 90).
Mit Schreiben vom 30. Dezember 2014 teilte die IV-Stelle dem Versicherten mit, sie übernehme die Kosten für die berufliche Abklärung vom 10. November 2014 bis 9. Februar 2015 im Brüggli, Romanshorn (IV-act. 98). Am 13. Januar 2015 verfügte die IV-
Stelle ein IV-Taggeld während der beruflichen Massnahmen von Fr. 160.-pro Tag (IVact. 99).
Im Schlussbericht Abklärung vom 25. Februar 2015 hielten die Abklärungsverantwortlichen fest, dass der Versicherte auf Grund der Beobachtungen und Resultate des Assessments derzeit nicht über die notwendigen Ressourcen verfüge, um auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuss fassen zu können (IV-act. 101-8).
A.l Im Strategie-Protokoll vom 3. Juni 2015 wurde festgehalten, dass der Versicherte gemäss der beruflichen Abklärung nicht ausbildungsfähig sei. Die Berufsberatung werde abgeschlossen, da nun die medizinische Abklärung im Vordergrund stehe (IVact. 103).
In der Stellungnahme vom 8. Juni 2015 hielt RAD-Ärztin Dr. med. F. nach Fallbesprechung mit Dr. G. fest, dass aus Sicht des RAD an der Einschätzung gemäss der RAD-Stellungnahme vom 28. November 2011 festgehalten werden könne. Nachdem der Versicherte anlässlich der erneut durchgeführten Eingliederungsbemühungen keine auf dem freien Arbeitsmarkt verwertbare Arbeitsfähigkeit habe erreichen können, seien weitere berufliche Massnahmen nicht zielführend (IV-act. 105).
Mit Schlussbericht vom 8. Juli 2015 schloss der Eingliederungsverantwortliche den Fall ab, da keine Ausbildungsfähigkeit vorliege (IV-act. 107).
Durch Mitteilung vom 28. August 2015 wurde der Versicherte darüber informiert, dass das Leistungsbegehren um weitere berufliche Massnahmen abgewiesen werde (IV-act. 110).
Mit Vorbescheid vom 18. September 2015 stellte die IV-Stelle dem Versicherten gestützt auf einen IV-Grad von 39% eine Abweisung seines Rentengesuchs in Aussicht (IV-act. 113).
Gegen diesen liess der Versicherte durch seinen Rechtsvertreter am 13. Oktober 2015 Einwand erheben und eine halbe IV-Rente beantragen. Zudem machte der Rechtsvertreter gestützt auf einen Arztbericht des behandelnden Psychiaters geltend
(vgl. Bericht vom 5. Oktober 2015, IV-act. 117-3f.), dass sich der Gesundheitszustand des Ver¬sicherten seit der letzten Begutachtung vom September 2011 verschlechtert habe, weshalb allenfalls ein neues Gutachten erforderlich sei (IV-act. 117).
Die IV-Stelle verfügte am 29. Oktober 2015 eine Abweisung des Gesuchs um IVRente. Dabei stützte sie sich auf die Stellungnahme des RAD vom 27. Oktober 2015, wonach der Bericht von med. pract. E. keine Verschlechterung des Gesundheitszustands zu begründen vermöge (IV-act. 118).
B.
Gegen diese Verfügung richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 20. November 2015 mit dem Antrag auf deren Aufhebung und auf Ausrichtung einer halben Invalidenrente ab 1. Juli 2010 und auf eine ganze Invalidenrente ab 1. März 2012. Eventualiter seien weitere medizinische Abklärungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit ab März 2012 durchzuführen. Zu diesem Zweck sei ein bidisziplinäres medizinisches Gutachten einzuholen, welches die Disziplinen Kardiologie und Psychiatrie zu umfassen habe. Zur Begründung macht der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers geltend, es sei dem Beschwerdeführer auf Grund seiner lediglich noch möglichen Teilzeittätigkeit und infolge seiner Fremdsprachigkeit und der bei der Einschätzung der Erwerbsfähigkeit unberücksichtigt gebliebenen Leiden (Schwindel, Schwerhörigkeit, Sensibilitätsstörung), der Medikamenten-Nebenwirkungen, seiner grossen Ängste und seiner langen Abwesenheit vom Arbeitsmarkt beim Invalideneinkommen mindestens ein Tabellenlohnabzug von 15% zu gewähren. Ausserdem sei spätestens seit Sommer 2012 ärztlicherseits eine dramatische Verschlechterung des Gesundheitszustands festgestellt worden. Diese stimme mit den Beobachtungen im Brüggli überein und müsse bidisziplinär (psychiatrisch und kardiologisch) abgeklärt werden (act. G 1).
Mit Beschwerdeantwort vom 19. Januar 2016 beantragt die Beschwerdegegnerin eine teilweise Gutheissung der Beschwerde insoweit, als dem Beschwerdeführer ab dem 1. Juli 2010 eine Viertelsrente zuzusprechen sei. Im Übrigen sei die Beschwerde abzuweisen. In ihrer Begründung hält die Beschwerdegegnerin fest, dass infolge der lediglich noch möglichen Teilzeiterwerbstätigkeit ein Abzug vom Invalideneinkommen
von 10% gerechtfertigt erscheine. Dies führe insgesamt zu einem IV-Grad von 48% und somit zu einem Anspruch auf eine Viertelsrente. Im Weiteren liessen sich den neu eingereichten Berichten des Hausarztes und des behandelnden Psychiaters keine neuen Diagnosen bzw. keine Verschlechterung des Gesundheitszustands seit der Begutachtung entnehmen (act. G 4).
Die Parteien verzichten auf einen weiteren Schriftenwechsel (act. G 6).
Erwägungen
1.
Vorliegend ist streitig und zu prüfen, ob der Beschwerdeführer Anspruch auf
Rentenleistungen hat.
Einen Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung haben Versicherte, die ihre Erwerbsfähigkeit die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, nicht durch zumutbare Eingliederungsmassnahmen wiederherstellen, erhalten verbessern können, während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens 40 Prozent arbeitsunfähig gewesen sind und nach Ablauf dieses Jahres zu mindestens 40 Prozent invalid sind (Art. 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung [IVG; SR 831.20]). Invalidität ist gemäss Art. 8 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) die voraussichtlich bleibende längere Zeit dauernde ganze teilweise Erwerbsunfähigkeit. Erwerbsunfähigkeit ist der durch eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 7 Abs. 1 ATSG).
Für die Bestimmung des Invaliditätsgrads wird das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung
gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Art. 16 ATSG).
Nach Art. 28 Abs. 2 IVG besteht der Anspruch auf eine ganze Invalidenrente, wenn die versicherte Person mindestens zu 70%, derjenige auf eine Dreiviertelsrente, wenn sie mindestens zu 60% invalid ist. Bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 50% besteht ein Anspruch auf eine halbe Rente und bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40% ein Anspruch auf eine Viertelsrente.
Um den Invaliditätsgrad bemessen zu können, ist die Verwaltung und im Beschwerdefall das Gericht auf Unterlagen angewiesen, die ärztliche und gegebenenfalls auch andere Fachleute zur Verfügung zu stellen haben. Aufgabe des Arztes der Ärztin ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist (BGE 125 V 261 E. 4). Das Gericht hat den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen und demnach zu prüfen, ob die vorliegenden Beweismittel eine zuverlässige Beurteilung des strittigen Leistungsanspruchs gestatten. Diese Untersuchungspflicht dauert so lange, bis über die für die Beurteilung des streitigen Anspruchs erforderlichen Tatsachen hinreichende Klarheit besteht (vgl. SVR 2001 IV Nr. 10 S. 28 E. 4b mit Hinweisen).
2.
Der Beschwerdeführer beanstandet zunächst den der angefochtenen Verfügung zugrunde liegenden Einkommensvergleich. Die Beschwerdegegnerin beantragt diesbezüglich in Abweichung von der Verfügung die Gewährung eines 10%igen Abzugs vom Tabellenlohn auf Grund der noch zumutbaren Teilerwerbstätigkeit.
Hinsichtlich des Valideneinkommens ist mit den Parteien auf den IK-Auszug abzustellen. Danach erzielte der Beschwerdeführer im Jahr 2008 einen Jahreslohn von Fr. 71‘735.-- (IV-act. 11-1). Dieser ergibt angepasst an die Nominallohnentwicklung von 2.1% für das Jahr 2009 und 0.7% für das Jahr 2010 (vgl. Bundesamt für Statistik, T 39 Entwicklung der Nominallöhne, 1976-2015) für das Jahr des Invaliditätsbeginns 2010 ein Valideneinkommen von Fr. 73‘754.--.
2.3
Für die Bestimmung des Invalideneinkommens ist primär von der beruflicherwerblichen Situation auszugehen, in der die versicherte Person konkret steht. Ist kein solches tatsächlich erzieltes Erwerbseinkommen gegeben, so ist auf Erwerbstätigkeiten abzustellen, die der versicherten Person angesichts ihrer Ausbildung und ihrer physischen sowie intellektuellen Eignung zugänglich wären. Rechtsprechungsgemäss werden hierzu die LSE-Tabellenlöhne des Bundesamts für Statistik herangezogen (vgl. BGE 129 V 475 E. 4.2.1 mit Hinweisen). Da der Beschwerdeführer seine 70%ige Restarbeitsfähigkeit nicht tatsächlich verwertet, ist zur Bestimmung des Invalideneinkommens der durchschnittliche Hilfsarbeiterlohn heranzuziehen. Dieser beträgt für das Jahr 2010 Fr. 61‘164.-- (vgl. Anhang 2: Lohnentwicklung, IVGGesetzesausgabe der Informationsstelle AHV/IV, Ausgabe 2015) bzw. angepasst an die Restarbeitsfähigkeit von 70% Fr. 42‘815.--.
Nach der Rechtsprechung hängt die Frage, ob und in welchem Ausmass Tabellenlöhne herabzusetzen sind, von sämtlichen persönlichen und beruflichen Umständen auch von invaliditätsfremden Faktoren - des konkreten Einzelfalles ab (namentlich leidensbedingte Einschränkung, Alter, Dienstjahre, Nationalität/ Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad), die nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen sind, wobei der maximal zulässige Abzug auf 25% festzusetzen ist. Eine schematische Vornahme des Tabellenlohnabzugs ist unzulässig (BGE 126 V 79 E. 5b, bestätigt in AHI 2002 S. 62 und BGE 129 V 481 E. 4.2.3 mit Hinweisen).
Das von RAD-Arzt Dr. H. in der Stellungnahme vom 28. November 2011 umschriebene und durch das Versicherungsgericht bestätigte Anforderungsprofil für leidensangepasste Tätigkeiten (mittelschwere Tätigkeiten ohne Schichtarbeit und erhöhte Stressbelastung; IV-act. 54-2, 74-9f.) schränkt das mögliche Spektrum der auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt bestehenden mittelschweren Hilfsarbeiten v.a. unter Berücksichtigung der früher vom Beschwerdeführer ausgeführten vorwiegend stressigen und verantwortungsvollen Tätigkeiten etwas ein, womit ein Abzugsgrund zu bejahen ist. Zudem anerkennt das Bundesgericht unter dem Titel Beschäftigungsgrad in der Regel bei Männern, welche gesundheitlich bedingt lediglich noch teilzeitlich
erwerbstätig sein können, einen Abzug vom Tabellenlohn. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass bei Männern statistisch gesehen Teilzeitarbeit vergleichsweise weniger gut entlöhnt wird als eine Vollzeittätigkeit (vgl. Urteile vom 2. November 2007, I 69/07, E. 5.1 und vom 4. Oktober 2007, I 793/06, E. 2; vgl. auch Urteil vom 14. April 2008, 8C_664/2007, E. 8.3). Demgegenüber bilden weder Aufenthaltsstatus noch Sprache beim relativ gut schweizerdeutsch sprechenden Beschwerdeführer (vgl. dazu Urteil des Versicherungsgerichts vom 3. März 2014, IV 2012/99, E.3.4 mit Hinweisen), noch die längere Abwesenheit vom Arbeitsmarkt einen Grund für einen Abzug vom Tabellenlohn (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts vom 20. Oktober 2011, 8C_594/2011, E. 5 mit weiteren Hinweisen). Dass sich auf Grund des Abklärungsberichts des Brüggli vom 25. Februar 2015 weitere in der Arbeitsfähigkeitsschätzung der MEDAS unberücksichtigt gebliebene lohnmindernde Einschränkungen ergeben, wie für einen vermehrten Pausenbedarf, die Notwendigkeit eines Ruheraumes sowie die Möglichkeit der Arbeitsniederlegung bei zu viel Druck, ist schliesslich nicht ersichtlich bzw. medizinisch ausgewiesen. So berücksichtigte bereits der psychiatrische Gutachter Dr. med. I. , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, im Rahmen seiner Beurteilung vom 13. September 2011 eine Minderung der Arbeitsfähigkeit um 30%. Er hielt fest, dass der Beschwerdeführer in der Lage sei, sämtliche, seinem körperlichen Belastbarkeitsprofil angepassten Tätigkeiten mit einfachen geistigen Anforderungen und einfachen Verantwortungsgraden, möglichst gut vorstrukturiert, ohne Zeitdruck und ohne Nachtarbeitsbedingungen mit einer Arbeitsfähigkeit von 70% zu verrichten. Dabei bezog Dr. I. in seine Einschätzung mit ein, dass sich der Beschwerdeführer subjektiv bereits durch leichte Tätigkeiten überfordert fühle, was auf Ängste vor einem möglichen Re-Infarkt sowie einem ausgeprägten Vermeidungsverhalten mit Selbstlimitierung zurückzuführen sei (vgl. IV-act. 53-43f.). Gesamthaft betrachtet erscheint daher ein Tabellenlohnabzug von 10% als gerechtfertigt, womit ein Invalideneinkommen von Fr. 38‘533.-- (Fr. 42‘815.-x 0.9) und eine Erwerbseinbusse von Fr. 35‘221.-- (Fr. 73‘754.-- - Fr. 38‘533.--) resultiert. Aus dem Vergleich von
Validenund Invalideneinkommen ergibt sich ein Invaliditätsgrad von aufgerundet 48% (100 : Fr. 73‘754.-x Fr. 35‘221.--). Folglich hat der Beschwerdeführer ab 1. Juli 2010 Anspruch auf eine Viertelsrente (vgl. Art. 29 Abs. 1 IVG).
3.
Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, seit der MEDAS-Begutachtung im September 2011 habe sich sein Gesundheitszustand dramatisch verschlechtert, was aus den Berichten von Dr. B. und med. pract. E. sowie dem Abklärungsbericht vom Brüggli hervorgehe. Hausarzt Dr. B. berichtete am 12. Dezember 2014, dass sich der psychische Zustand des Beschwerdeführers trotz intensiver ambulanter psychotherapeutischer Behandlung teilweise auch halbstationär in der Zeit von März 2011 bis März 2014 nicht verbessert habe. Die Ängste seien vielmehr grösser geworden, das Selbstvertrauen sei gesunken und es habe ein eindrücklicher sozialer Rückzug stattgefunden. Die kardiale Situation sei in dieser Zeit stabil geblieben, die vegetative Symptomatik habe jedoch zugenommen bei teilweise hypotonen Blutdruckwerten und tachykardem Pulsverhalten bei geringster Belastung (IV-act. 95). Med. pract. E. hielt im Verlaufsbericht vom 6. Juni 2014 einen schweren MyocardInfarkt (am 27.04.2009), eine schwere rezidivierende depressive Störung (ICD-10: F33.2) seit Juli 2009 sowie eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10: F43.1) seit Juli 2009 fest. Nach wie vor würden die typischen Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Albträumen des erlebten Myocard-Infarktes bestehen, Intrusionen und Wieder-Erleben des traumatischen Ereignisses. Ausserdem bestünden Einund Durchschlafstörungen, schwere depressive Zustandsbilder mit Hoffnungslosigkeit, schwerer Antriebslosigkeit und häufigen Weinattacken. Es bestehe eine ausgeprägte innere Unruhe mit häufigen panikartigen Zuständen, die bereits einer manifesten Panikstörung gleichen würden. Aller Voraussicht nach werde dem Beschwerdeführer eine Arbeit von wirtschaftlichem Wert zeitlebens verwehrt bleiben (IV-act. 87). Im Bericht vom 5. Oktober 2015 hielt der Psychiater an diesen Diagnosen fest. Der Beschwerdeführer leide sehr unter den psychischen Folgen des stark traumatisierenden Herzinfarkt-Ereignisses (dissoziative Zustände, schwere depressive Zustände und Konzentrationsund Merkfähigkeitsstörungen). Trotz antidepressiver Medikation und psychiatrischer Behandlung habe sich das posttraumatische Zustandsbild chronifiziert, aus psychiatrischer Sicht seien die Behandlungsmittel ausgeschöpft. Der Beschwerdeführer sei mittelbis langfristig zu 100% arbeitsunfähig. Höchstens in einem geschützten Rahmen im Sinne einer Tagesstruktur sei er zu 25% einsetzbar (IV-act. 117-3f.). RAD-Ärztin Dr. F. führte am 2. Juli 2014 aus, der Hausarzt habe im Bericht vom 20. Mai 2014 (recte 26. Mai 2014, vgl. IV-act. 86) auf den Arztbericht vom 11. Mai 2011 verwiesen und angegeben, dass sich die Situation
aus somatischer Sicht seither nicht verändert habe (IV-act. 89-2f). Med. pract. E. beschreibe sodann den gleichen medizinischen Sachverhalt wie anlässlich dem letzten Bericht vor der Begutachtung am 21. April 2011, wobei auch schon damals eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit angenommen worden sei. Zusammenfassend handle es sich um den gleichen medizinischen Sachverhalt wie anlässlich der MEDASBegutachtung vom 2. November 2011 (IV-act. 89). Auch im Bericht von med. pract.
E. vom 5. Oktober 2015 sah Dr. F. keine neuen medizinischen Tatsachen. Es werde weiterhin an den früheren Diagnosen, im speziellen an der posttraumatischen Belastungsstörung festgehalten, obwohl im medizinischen Referenzdokument in der Begutachtung des Inselspitals Bern vom 28. Oktober 2011 ausführlich dargelegt werde, dass die Kriterien nach ICD für diese Diagnose nicht erfüllt würden und die Diagnose nicht gestellt werden könne. Selbst der beschriebene psychopathologische Befund vermöge keine Verschlechterung des Gesundheitszustands zu begründen, da er weitgehend identisch mit früheren Befunden sei (vgl. Stellungnahme vom 27. Oktober 2015, IV-act. 118). Diese RAD-ärztlichen Ausführungen sind nachvollziehbar und in sich schlüssig, weshalb gestützt auf die Berichte von Dr. B. und med. pract. E. nicht von einer Verschlechterung des Gesundheitszustands seit der Begutachtung durch das Inselspital Bern auszugehen ist.
Im Schlussbericht Abklärung des Brüggli vom 25. Februar 2015 hielten die Abklärungsverantwortlichen fest, dass der Beschwerdeführer durch gesundheitliche Beschwerden stark in der Konzentration eingeschränkt gewesen sei. Durch sein Umfeld habe er sich dagegen nicht ablenken lassen. Um überhaupt im Arbeitsalltag funktionieren zu können, sei er darauf angewiesen, dass er möglichst immer im selben, ihm vertrauten Team die gleichen sich wiederholenden, einfachen Arbeiten ausführen könne. Jegliche Veränderung bezogen auf seine Aufgaben würden bei ihm grossen Stress auslösen. Er sei im Arbeitsalltag nur sehr wenig belastbar, weil er noch sehr mit sich selbst, d.h. mit seinen Schmerzen und seiner Zukunftsangst beschäftigt sei. Das Selbstwertgefühl und das Vertrauen in seine Fähigkeiten seien beim Beschwerdeführer momentan sehr gering. Auf Grund der verschiedenen Schwierigkeiten und Problemstellungen während der Abklärung erachteten die Abklärungsverantwortlichen den geschützten Rahmen als notwendig. Ausserordentlichen Mehraufwand im Vergleich zum ersten Arbeitsmarkt erkannten sie im Förderbedarf des Ermöglichen von regelmässigen Pausen in einem Ruheraum und der Möglichkeit, die Arbeit bei zu viel
Druck jeweils abzubrechen und erst am Folgetag wieder aufzunehmen (IV-act. 101-4f.). RAD-Ärztin Dr. F. hielt nach Besprechung mit RAD-Arzt Dr. G. fest, dass allein die Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer noch immer nicht in der Lage sehe, die gewünschte Arbeitsleistung zu erbringen, ungeeignet sei, um von der medizinischtheoretischen Einschätzung der Arbeitsfähigkeit abzuweichen (vgl. Stellungnahme vom
8. Juni 2015; IV-act. 105). Dem ist zu folgen. So kann trotz fehlender Hinweise für eine ungenügende Arbeitsmotivation nicht allein auf die im Rahmen einer beruflichen Abklärung abgegebene Einschätzung der Leistungsfähigkeit abgestützt werden. Es kann daraus nicht grundsätzlich der Schluss gezogen werden, dass der Beschwerdeführer tatsächlich die volle mögliche und zumutbare Arbeitsleistung erbracht hat. Die Differenz zwischen der erbrachten und der objektiv möglichen und zumutbaren Leistung ist für die Programmverantwortlichen nicht erkennbar, weil diese nicht in der Lage sind, die objektive Leistungsfähigkeit des Versicherten einzuschätzen. Letztlich ist es allein eine ärztliche Aufgabe, den Gesundheitszustand einer versicherten Person zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und mit welchem Anforderungsprofil die versicherte Person arbeitsfähig ist. Insgesamt vermögen die vorliegenden Akten somit keine Änderung des Gesundheitszustands und damit der durch das Inselspital Bern geschätzten Höhe der Arbeitsfähigkeit zu begründen und es ist beim Beschwerdeführer weiterhin von einer Arbeitsfähigkeit in leidensangepassten Tätigkeiten von 70% und damit von einem Anspruch auf eine Viertelsrente auszugehen.
4.
Nach dem Gesagten ist die angefochtene Verfügung vom 29. Oktober 2015 in teilweiser Gutheissung der Beschwerde aufzuheben und dem Beschwerdeführer ab 1. Juli 2010 eine Viertelsrente zuzusprechen.
Das Beschwerdeverfahren ist kostenpflichtig. Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von Fr. 200.-bis Fr. 1'000.-festgelegt (Art. 69 Abs. 1bis IVG). Eine Gerichtsgebühr von Fr. 600.-erscheint in der vorliegend zu beurteilenden Angelegenheit als angemessen. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend ist sie vollumfänglich der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen.
Der vom Beschwerdeführer geleistete Kostenvorschuss von Fr. 600.-ist ihm zurückzuerstatten.
Gemäss Art. 61 lit. g ATSG hat die obsiegende beschwerdeführende Partei Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Die Parteientschädigung wird vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen (Art. 61 lit. g ATSG). In der Verwaltungsrechtspflege beträgt das Honorar vor Versicherungsgericht nach Art. 22 Abs. 1 lit. b HonO (sGS 963.75) pauschal Fr. 1'000.-bis Fr. 12'000.--. Im hier zu beurteilenden Fall mit einfachem Schriftenwechsel erscheint eine pauschale Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) als angemessen.
Entscheid
im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP
1.
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird die Verfügung vom 29. Oktober 2015 aufgehoben und dem Beschwerdeführer ab 1. Juli 2010 eine Viertelsrente zugesprochen.
2.
Die Beschwerdegegnerin bezahlt eine Gerichtsgebühr von Fr. 600.--. Der vom Beschwerdeführer geleistete Kostenvorschuss von Fr. 600.-ist ihm zurückzuerstatten.
3.
Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- (einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
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